Dienstag, 27. Februar 2018

Die erste Reise VI - Erkundertagebuch, 26. Februar 3304

Das Ziel liegt vor mir. Der Affenkopfnebel. Über 6400 Lichtjahre von zu Hause entfernt. Wo die Veteranen unter den Erkundern nur müde lächeln, wird mir fast schwindelig angesichts dieser enormen Distanz. In meinem ganzen Leben war ich maximal 450 Lichtjahre von meiner Heimat entfernt. Innerhalb dieser Grenze hat sich alles abgespielt was ich kenne.

Anflug auf den Affenkopfnebel.
Mein erster Flug im All in einer Sidewinder, meine mühsamen Wochen als Mineur von der Hauler bis zur T6, die Rundtouren um seltene Waren möglichst weit von ihrem Ursprung zu verkaufen, meine unzähligen Routen als Händler in der T7, meine ersten Versuche im Raumkampf mit der Cobra MK III, meine Flüge zu den Ingenieuren. Alles was ich jemals kannte befindet sich hinter einem Stecknadelkopf, den ich mit ausgestrecktem Arm vor mir halte. Wahnsinn.



Mitten im Nebel.
Als letztes Ziel wähle ich mir ein System mitten im Affenkopfnebel aus. Als ich dort eintreffe, bin ich überwältigt. Egal in welche Richtung ich schaue, ich sehe kein schwarzes, kaltes Weltall. Überall sind Farben. Ich bin in meiner eigenen kleinen (Seifen)Blase.
Ich möchte einen Moment inne halten und suche mir einen hübschen kleinen Mond. Im Landeanflug erkenne ich seine zerklüftete Oberfläche.

Anflug auf MONKEY HEAD SECTOR KC-V C2-7 1 C.
In der Datenbank sehe ich, dass ich nicht der Erste bin, der hier gewesen ist. Das stört mich in diesem Moment aber überhaupt nicht. Ich bin einfach nur froh, dass ich mein selbst gestecktes Ziel heile erreicht habe. Naja, die Landung steht mir noch bevor.

Ein tiefer Canyon ist bereits aus dem Orbit gut zu erkennen.
Geeignetes Terrain für eine Landung zu finden ist zunächst gar nicht so einfach wie die Oberfläche zunächst vermuten lässt. Ich fahre das Fahrwerk aus und lande so langsam und vorsichtig wie noch nie zuvor. Ich spüre wie sich das Metall in den Sand des Mondes bohrt. Ein kurzer Ruck geht durch das Schiff, dann kann ich die Triebwerke herunterfahren.
Ich werfe einen Blick auf den Bordcomputer. Wie gesagt, unter den den Erkundern bin ich auch jetzt noch ein Greenhorn. Aber das ist völlig in Ordnung. Dies ist meine erste Reise. Ein kleines Schnuppern im Hinterhof der Galaxie. Aber die angezeigten 6464 Lichtjahre übertreffen meine persönliche Entfernung von der Heimat um den Faktor 14.

Die Statistiken des Bordcomputers.
Mein SRV (Surface Recon Vehicle) habe ich auf diesem Trip wirklich noch nicht oft genutzt. Das werde ich auf zukünftigen Reisen ändern. Aber hier muss ich natürlich etwas die Umgebung erkunden. Eine Gravitation von 0,07 G machen die beräderte Erkundung fast zu einem Spaziergang auf der Grenze zwischen Oberfläche und Unendlichkeit. Ganz vorsichtig nähere ich mich dem nahe gelegenen Canyon.

Einfach nur die Aussicht genießen.

Ich genieße immer noch.
Noch eine ganze Weile erkunde ich die nähere Umgebung. Auch wenn dieser Mond objektiv völlig uninteressant ist, so markiert er meinen subjektiven Scheitelpunkt dieser Reise.
Man mag es für Frevel halten, aber bereits nach einer guten halben Stunde zieht es mich zurück zur "Oldenburg".

Zurück zum Schiff.
Was soll ich sagen, ich freue mich auf die Heimat. Diese Reise war bis hierhin schon eine unfassbar schöne Erfahrung. Genau die gleiche Distanz liegt nun wiederum vor mir. Mir ist seit dem Beginn der Reise klar, dass sich der Rückweg anders gestalten wird. Ich habe so viele Ideen, mein Erkundungsschiff noch zu verbessern. Auch deshalb zieht es mich nun wirklich wieder nach Hause. Ich genieße das Hochfahren der Triebwerke und hebe ab.

Völlig losgelöst.
Ein Etappenziel suche ich mir dann doch für den Heimweg. Aus meiner Sicht befindet sich kurz vor den bewohnten Systemen noch der California Nebel. Als Zielpunkt, direkt vor dem Nebel, wähle ich das System HD 25508 aus. Vor mir liegen 5555,5 Lichtjahre.

Etapenziel in 5555 Lichtjahren Entfernung.
Noch ein letztes Mal blicke ich zurück auf den Affenkopfnebel. Zurück auf die Schwärze des intergalaktischen Raumes. Viel hat mich nicht mehr getrennt von der scheinbar grenzenlosen Leere des Raumes zwischen den Galaxien. Aber das ist ein anderes Kapitel.

Rückblick.
Fast eine Woche lang lag der Großteil der Galaxis in meinem Rücken, während ich mich dem dunklen Firmament des Galxierandes näherte.
Dann richte ich den Blick nach vorne. Vor mir breitet sich das helle Band der Milchstraße aus. Bei dem Anblick bin ich wahrlich gerührt. Dazu fällt mir ein passendes Zitat, aus einem sehr alten, auf richtigem Papier gedruckten Buch, ein:

"Man sieht oft etwas hundert Mal, tausend Mal, ehe man es zum allerersten Mal wirklich sieht." 
- Christian Morgenstern, 1871-1914

Heimat, ich komme.


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